Unter einem Wandregal hängen Geigen, an der Wand darunter sind Stecheisen und Hobel aufgereiht. Auf Arbeitsflächen liegen Lineale, Leim und Skizzen, in Glasvitrinen werden Instrumente, Bögen und Zubehör präsentiert. Die Werkstatt von Claudia Rook und Kerstin Hoffmann in Wien wirkt aufgeräumt und gemütlich. Mit einer Gruppe von Musikliebhabern hat sich MUSEDU dort eingefunden, um etwas über das Geigenbau-Handwerk zu erfahren.
Die beiden Meisterinnen bauen ihre Instrumente nach traditionellen Vorlagen. Modelle dafür finden sie in Bildbänden, in denen alte Instrumente italienischer Meister abgebildet und detailgenau dokumentiert sind. Oder sie lassen sich von Originalinstrumenten inspirieren, die sie direkt an der Werkbank und im Konzert studieren können. Weitere Vorlage sind aus Gips hergestellte 3D-Modelle von Wölbungen und Schnecken. Bei Streichinstrumenten hat sich – anders als beispielsweise beim Klavier – die Bauweise seit Jahrhunderten kaum verändert. Experimente mit der Form oder mit neuen Materialien haben sich letztlich nicht durchgesetzt. Somit bauen Hoffmann und Rook noch immer wie vor 300 Jahren – nur mit moderneren Werkzeugen und Strom.
Die Arbeitsgänge beim Bau von Geige, Bratsche und Cello sind gleich, nur ihre Größe unterscheidet sich. Wie lange es dauert, ein solches Instrument von Hand zu bauen, ist für den Laien kaum vorstellbar: eine Geige entsteht in 180 Stunden, ein Cello in rund 600 Stunden. Preise von 17.000 Euro für eine Geige oder 30.000 Euro für ein Cello erscheinen nicht zu hoch kalkuliert, wenn man einen Einblick in dieses Handwerk bekommen hat. Hoffmann und Rook übernehmen nur selten Auftragsarbeiten. Normalerweise entscheidet jede von ihnen frei, was sie bauen möchte – und baut immer nur ein Instrument auf einmal. Dabei entstehen absolute Unikate.
Bei einer Geige sind Boden, Zarge und Hals aus Ahorn, die Decke aus Fichte. Keine gewöhnliche Fichte allerdings: sie muss hoch und gleichmäßig gewachsen sein und stammt aus den Dolomiten. Claudia Rook reicht Holzplatten herum und wir fühlen, wie unterschiedlich schwer die beiden Hölzer sind. „An einem Streichinstrument schwingt alles, aber natürlich unterschiedlich stark“, erklärt sie. Die verwendeten Holzarten sind stabil und schwingungsfähig zugleich.
Mittlerweile hat das Biegeeisen seine Betriebstemperatur erreicht. Kerstin Hoffmann führt vor, wie die Seitenwand – die Zarge – entsteht, indem sie eine Holzleiste um das 100 Grad heiße Eisen herumbiegt. Einmal abgekühlt, behält das Holz seine Form. Anhand ihrer 3D-Modelle arbeiten die Geigenbauerinnen – nur mit Augenmaß – die Wölbung von Decke und Boden des Instruments exakt heraus. Eine wichtige Aufgabe, denn dieser Arbeitsgang entscheidet über Klang und Statik. Auch dies zeigen sie anschaulich an Vorführmodellen.
Als Leim verwendet man im Geigenbau „Hasenleim“, einen Naturleim aus Haut und Knochen, der sowohl stabil als auch leicht wieder lösbar ist. Es wurde noch kein Kunstleim erfunden, der dieselben Eigenschaften besitzt – somit kann ein Streichinstrument nicht vegan sein. Dafür muss man sich nicht fürchten, wenn einmal eine Leimnaht aufgeht, denn das kann leicht repariert werden.
Wir bekommen weitere seltene Einblicke: Innerhalb der Geigendecke ist ein „Bassbalken“ auf der Seite der Basssaiten angebracht. Er stabilisiert das Instrument und überträgt die Schwingungen vom Steg. Die dunkle Umrandung eines jeden Streichinstruments ist ein dreiteiliger „Einlegespan“ aus Pappelholz. Dieser ist nicht nur dekorativ, sondern schützt auch vor Rissen. Die F-Löcher werden mit der Laubsäge ausgesägt und mit dem Schnitzmesser ausgeschnitten. Ihre Platzierung wirkt sich auf den Klang aus. Und bei der Schnecke haben sich Geigenbaumeister an Natur und Ornamentik orientiert – allein bis diese fertig geschnitzt ist, dauert es eine gute Woche.
Wenn das sogenannte „weißfertige“ Instrument fertig ist, kommt ein weiterer aufwändiger Prozess: das Lackieren. Hoffmann und Rook arbeiten mit einem selbst gekochten Bernsteinlack nach einer alten überlieferten Rezeptur aus dem 17. Jahrhundert. Acht bis zehn Lackschichten werden aufgetragen, die verschiedene Funktionen haben. Entscheidet sich dann ein Musiker, ein Instrument zu kaufen, wird es individuell angepasst. Die Positionierung des Stimmstocks, die Besaitung… auch hier gibt es noch Spielraum, den Klang zu beeinflussen. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Bogen. Bogenmacher ist ein eigener Handwerksberuf; alte französische Bögen können Hundertausende Euro kosten.
Horrende Preise sowie die Frage, ob nun ein altes oder neues Instrument besser sei, werden auch in der Diskussion mit der Gruppe angesprochen. „Nicht alt oder neu ist prinzipiell gut“, sagt Claudia Rook, „sondern es geht um Qualität.“ Nach jahrhundertelangen Restaurierungen sei außerdem fraglich, wieviel an einer Stradivari noch original sei. Letztlich sei es auch eine Prestigesache. Wie Gemälde sind auch Streichinstrumente teilweise Spekulationsobjekte. Rook meint hierzu: „Schade ist, wenn solche Instrumente dann in einem Safe liegen, nur weil jemand das Geld hat – eigentlich gehören sie auf die Bühne“.
Zum Abschluss gibt Rook – die auch studierte Cellistin ist – Eltern und Anfängern noch einen guten Rat: Finger weg von Billig-Geigen! „Wenn man musizieren lernen und sein Gehör ausbilden möchte, braucht man ein vernünftiges Instrument, das Spaß macht und gut funktioniert.“ In der Einsteigerklasse gibt es schon gute Geigen für rund 900 Euro. Auch Mieten kann eine sinnvolle Variante sein. Dabei kommen bei Hoffmann und Rook Instrumente fremder Hersteller zum Einsatz, die sie selbst spielfertig mache und klanglich einstellen. Service inbegriffen. Ein „Rundum-Sorglos-Paket“ für Musikschüler.
Weitere Informationen zum Instrumentenbau und den verschiedenen Services von Hoffmann & Rook sowie ihr eigenes Fachmagazin „legato“ finden sich auf der Website www.geigenmacher.at.