Mein selbstgebautes Clavichord

Vor mir liegen ein Holzbrett und ein paar Vierkanthölzer – und ich frage mich, wie daraus in nur einer Woche ein Instrument entstehen soll. Mit einer Gruppe von Hobbypianisten habe ich mich zu einem Clavichord-Baukurs angemeldet. Der Orgel- und Cembalobauer Johann-Gottfried Schmidt ist extra aus Rostock nach Wien gekommen, um uns dabei anzuleiten. Schmidt hat den Kurs entwickelt, in dem sich handwerkliche Laien dieses historische Tasteninstrument selber bauen können.

Am Anfang sind es nur ein paar Bretter

„Schon lange will ich ein Clavichord haben, und selber bauen ist einfach viel preiswerter als kaufen!“ sagt ein Teilnehmer. Ich dagegen hatte einfach Lust, mir mal ein Instrument zu bauen. Das hätte auch eine Gitarre sein können – aber da ich Klavier spiele, lag mir das Clavichord näher. Schließlich waren schon Mozart und Hadyn mit einem solchen Reiseklavier unterwegs. Würde also auch ich schon bald im Urlaub im Hotelzimmer auf einem transportablen Miniklavier üben können?

Die Klaviatur entsteht

Zunächst liegt eine Woche harter Arbeit vor uns. Unzählige Arbeitsschritte, für die sich ungeübte Handwerker rasch an verschiedene Werkzeuge gewöhnen müssen. Von einer Papiervorlage übertragen wir die Klaviatur auf ein Brett und sägen dann jede Taste einzeln aus. Wir schlagen kleine Metallstifte in den Steg. Bohren Löcher für die Stimmwirbel in den Resonanzboden. Wir leimen und ölen, hämmern und sägen – von früh bis spät. „Stehvermögen“ sei bei diesem Kurs gefordert, heißt es auf Schmidts Website. In der Tat: mein Rücken beschwert sich schon am zweiten Tag über die ungewohnten Bewegungsabläufe. Ich ignoriere ihn. Es motiviert mich, dass das Instrument unter meinen Händen langsam Gestalt annimmt!

Jede Taste wird einzeln ausgesägt

Beim Bauen lerne ich, dass am hinteren Ende jeder Taste eine „Tangente“ sitzt. Jedes dieser Metallplättchen feilen wir zurecht und richten es aus, bis es passt. Wenn wir dann beim fertigen Instrument eine Taste anschlagen, lässt die Tangente die Saite schwingen. Weil sie direkt auf die Saite einwirkt, können wir per Fingerdruck ein Vibrato erzeugen. Das kann ich an meinem Klavier nicht. Ich bin gespannt darauf, das auszuprobieren.

Wer sich anfangs zu lange mit dem Schmirgeln einzelner Tasten aufgehalten hat, dem läuft am letzten Tag die Zeit davon. Spätabends versuchen wir endlich, die Instrumente zu stimmen. „Das ist wirklich eine Grenzerfahrung!“, denke ich und fluche, als mir wieder eine Saite reißt. Doch dann ist es geschafft und vor uns liegen unsere fertigen Werke. Ich teste meines mit ein paar Takten aus einer Invention von Johann Sebastian Bach. Der zarte, metallische Klang gefällt mir. Ich drücke eine Taste, wackele mit dem Finger hin und her und versuche ein Vibrato. Mir schwant: das Clavichord erfordert eigene Techniken, die ich gezielt lernen müsste, um es überzeugend spielen zu können.

Das Innere eines Clavichords

Ein paar Monate später höre ich das Clavichord eines Teilnehmers wieder, in einem Hauskonzert. „Ich nutze es, wenn ich früh morgens übe, um niemanden zu stören“, sagt er, „und im Sommer nehme ich es manchmal bei schönem Wetter mit nach draußen.“ Der Aufwand hat sich also gelohnt. Auch für mich. Ich habe besser verstanden, wie ein historisches Tasteninstrument funktioniert, und trotz aller Strapazen hat das Selberbauen viel Spaß gemacht. Mein Clavichord steht an einem Ehrenplatz – und ich betrachte es gelegentlich mit Stolz. Wenn ich verreise, lasse ich es allerdings doch lieber zu Hause.