Interview mit Marie-Luise Dingler

Die Geigerin Marie-Luise Dingler hat die Corona-Zwangspause genutzt und zusammen mit der Illustratorin Jessica Marquardt ein Kinderbuch verfasst. In Hurra, wir spielen ein Konzert haben Igel und Eichhörnchen viel geübt und möchten ihre Musik mit anderen teilen. Bis sie am Ende vor ihren Freunden im Wald ein Konzert spielen können, müssen sie einige Hindernisse überwinden…

Marie-Luise, erzähle uns etwas über dich und euer Geigen-Duo „The Twiolins“.

Wenn ich mich beschreibe, beschreibe ich sowieso die Twiolins, denn ich mache nichts anderes mehr! Ich habe mit sieben Jahren angefangen, Geige zu spielen, und habe dann wie mein Bruder Christoph in Mannheim studiert. Das erste Mal sind wir in der Schulzeit bei Jugend musiziert gemeinsam aufgetreten. Im Studium haben wir auch solistisch, im Quartett und im Orchester gespielt. Ich habe uns immer wieder Konzerte organisiert, und da haben wir gemerkt, dass das Duo uns am meisten Spaß macht und wir dabei das beste Feedback bekommen.

Mit Corona sind euch die Auftrittsmöglichkeiten weggefallen. War dein Kinderbuch quasi ein „Corona-Projekt“?

Die Idee dazu hatte ich schon ein Jahr davor. Ich dachte, das mache ich mal, wenn ich Zeit habe, aber 2019 hatten wir viele Auftritte. Nach dem ersten Schock in der Corona-Krise kam mir die Buchidee wieder unter, also habe ich die Zeit dafür genutzt. Die Inspiration war mein zweijähriger Neffe, der Sohn meines Bruders. Wenn da ein neuer, kleiner Mensch ist, denkt man anders übers Leben nach. Das hat mich motiviert, im Buch ein paar Erkenntnisse aus meinem Leben mitzuteilen.

In deinem Kinderbuch stecken viele kluge Botschaften. Was ist für dich die wichtigste?

Nicht nur in Musikerkreisen erlebt man häufig Rückschläge, egal welcher Art. Viele Menschen können damit nicht gut umgehen und verzweifeln. Ich habe als Musikerin erlebt, dass man lernen muss, mit Ablehnung umzugehen. Am Studienende hat sich erst einmal niemand für die Twiolins interessiert. Meine Hauptmessage ist: Lass dich nicht von einer Person aufhalten, die schlecht redet. Geh raus und frage nach Hilfe, dann wird dir auch geholfen. Freundschaft ist ein weiteres wichtiges Thema im Buch.

Diese Botschaften sind universell. Als Hobbymusikerin konnte ich besonders die Szene vom Auftritt nachempfinden: Der Igel patzt und kann weiterspielen, weil ihm das Eichhörnchen hilft…

Das haben wir auch erlebt. In der Klassik ist die Fehlertoleranz extrem niedrig. Jede Note muss sitzen und das geht oft zu Lasten des musikalischen Ausdrucks. Dabei ist ein Fehler für die ZuhörerInnen gar nicht schlimm, er ist wie eine Fliege, die vorbeifliegt. Man hat ihn im nächsten Moment vergessen. Ich habe damit auch versucht, zu vermitteln, dass Perfektion vollkommen überbewertet wird.

Gibt es viele Kinderbücher zu Musikthemen oder hast du damit eine Nische entdeckt?

Das Thema ist sehr beliebt, aber ich finde, es gibt noch nicht genug. Ich bekomme Zuschriften von GrundschullehrerInnen, die mein Buch benutzen, weil sie momentan im Unterricht nicht viel singen und spielen können. Aus dem Buch liest man die Begeisterung für Musik heraus. Und das Eichhörnchen spielt Mandoline – ein Instrument, das man aus dem normalen Instrumentenkanon nicht so kennt. Das ist noch ein kleiner Bildungsauftrag für die Kinder: herauszufinden, was eine Mandoline ist.

Wie hast du die Illustratorin gefunden?

Das war auch so eine Corona-Geschichte. Jessica ist nach Mannheim gezogen und hat in einer Facebook-Gruppe geschrieben, dass sie sich mit KünstlerInnen vernetzen möchte. Ich habe ihre Illustrationen gesehen – das waren kleine Gnome – und dachte, das ist genau der Stil, der mir gefällt. Wir haben uns einmal in der Woche getroffen und die Bilder und die Geschichte nach und nach entwickelt. Jessica hat alles perfekt umgesetzt und die Gesichtsausdrücke waren genau so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. So süße, fröhliche Zeichnungen. Ich würde sofort wieder ein Buch mit ihr machen, aber dann mit weniger Zeitdruck.

Welche Projekte haben die Twiolins derzeit?

Unsere neue CD Eight Seasons Evolution erscheint im Februar. Auch dafür war Corona fast ein „Glücksgriff“, denn wir machen vieles selber, wie Schneiden und Aufnehmen. Dafür hätten wir sonst kaum Zeit gehabt. Auf der CD stellen wir neben jeden Satz von Vivaldis Vier Jahreszeiten einen bekannten Tango von Astor Piazzolla. Mit der Reduzierung des Orchesterwerks auf zwei Geigen hört man die Stücke wieder ein bisschen anders. Die CD hat auch schon einen Preis gewonnen, bei den Global Music Awards.

Hast du einen Tipp, wie Musikfans KünstlerInnen in der Krise unterstützen können?

Aktiver werden, als nur ein stummer Fan zu sein. Auf Likes klicken. Alben auf allen Plattformen streamen und jeden Song mindestens 30 Sekunden laufen lassen, denn ab dann wird der Stream monetarisiert. Und natürlich CDs und Merchandise-Artikel kaufen – am besten direkt bei den KünstlerInnen. Wenn sie keinen Webshop haben, einfach per E-Mail nachfragen.

Marie-Luise Dingler: „Hurra, wir spielen ein Konzert“
Illustrationen von Jessica Marquardt
EUR 15,-
ISBN: 978-3-966-98728-8

Das Kinderbuch, verschiedene CDs und andere Artikel sind über den Twiolins Shop erhältlich. Streaming und Download der CD „Eight Seasons Evolution“ ist ab dem 5. Februar 2021 auf den üblichen Plattformen möglich. (Aus Österreich und der Schweiz können das Kinderbuch und die neue CD bei JPC bestellt werden.)