“The pianist‘s life is, by necessity, lonely” schreibt die Pianistin und Bloggerin Frances Wilson in einem Artikel in der Musikzeitschrift Interlude. Klavierspielen sei also eine einsame Angelegenheit. Aber muss das so sein? Natürlich verbringen wir – auch als Amateure – viel Zeit allein am Instrument. Schließlich können wir nur so unsere Stücke einstudieren. Wer gelegentlich auch mit anderen gemeinsam musizieren möchte, hat jedoch zahlreiche Gelegenheiten dazu.
Warum nicht einfach im eigenen Unterricht nachfragen, ob jemand vierhändig Klavierspielen möchte? Oder Lehrkräfte für andere Instrumente ansprechen – vielleicht haben sie erwachsene SchülerInnen, die gemeinsam musizieren möchten? Unsere MUSEDU-Mitglieder unterrichten viele verschiedene Instrumente und helfen gern weiter. HobbymusikerInnen in Wien können sich außerdem regelmäßig in offenen Gruppen mit Gleichgesinnten treffen. Eine Liste der verschiedenen lokalen Initiativen findet man bei unseren Links.
Das Vienna Piano Meetup, das 2014 als Klaviergruppe auf der Meetup-Plattform begann, ist mittlerweile zu einem Treffpunkt mit weiteren Instrumenten wie Flöte, Geige, Gitarre und Saxophon angewachsen. Einmal monatlich mieten wir einen Raum mit Flügel und spielen einander dort etwas vor. Ganz informell, ohne externes Publikum. In ungezwungener Atmosphäre dürfen auch Stücke präsentiert werden, die noch nicht „vorspielreif“ sind. Wir spielen vor allem Klassiker von Bach, Mozart, Chopin oder Debussy, die den meisten aus ihrem Klavierunterricht bekannt sind. Gelegentlich wird frei improvisiert, gesungen oder selbst komponiert. Stilistisch ist alles erlaubt. Und selbstverständlich dürfen sich auch AnfängerInnen trauen, etwas vorzuspielen. Ein geschützter Rahmen, in dem niemand ungefragt kritisiert wird – und alle einen Applaus verdienen! – macht dies möglich.
Immer wieder zeigt sich: Nervosität beim Vorspielen ist unabhängig vom pianistischen Können. Auch einem Fortgeschrittenen zittern bei seinem virtuos vorgetragenen Meisterwerk schonmal die Hände. „Diese Treffen machen mich demütig“, sagte eine Profispielerin, nachdem sie sich bei ihrem halsbrecherischen Stück ein paarmal verspielt hatte. Manchmal erleben wir magische Momente. Wenn alle gebannt der Anfängerin lauschen, wie sie souverän ein Stück aus ihrem Musikschul-Heft rockt. Oder wenn die Seniorin und der Student spontan vom Blatt vierhändig spielen und dabei miteinander herumalbern. In solchen Momenten spüren wir: beim Musizieren geht es um so viel mehr als um eine perfekte Leistung.
Der gemütliche Ausklang nach den Treffen ist ebenso wichtig. Im Lokal tauschen wir Tipps zu Noten und Übetechniken aus. Plaudern über Konzertbesuche und Aufnahmen – und darüber, wie schwierig es ist, das Musizieren in unseren vollen Alltag zu integrieren. Über die Jahre haben sich fixe Duos gebildet und Freundschaften sind entstanden. Und doch bleibt die Gruppe stets offen für Neuzugänge. Auch klavierspielende Wientouristen von Hong Kong bis Kanada haben sich schon zu uns gesellt. „Du bist die einzige, die ich kenne, die übers Klavierspielen Leute kennengelernt hat“, sagte neulich eine Bekannte zu mir. Ja – und gar nicht wenige. Klavierspielen muss also überhaupt nicht einsam sein!