In unserem letzten Blogartikel haben wir geschildert, welche Erfahrungen Lehrkräfte mit ihrem Online-Musikunterricht gemacht haben. Jetzt hat MUSEDU mit HobbymusikerInnen gesprochen, deren Unterricht für Gesang, Klavier, Geige und Flöte momentan online stattfindet. Wie nehmen sie diese Unterrichtsform wahr? Was funktioniert gut – und was ist gewöhnungsbedürftig?
Für den Hobbypianisten Gregor scheidet „aus ethischen Gründen“ proprietäre Software aus, und so nutzt er mit seinem Klavierlehrer die Plattform Jitsi Meet. Dafür benötigt man keinen Account und es gibt verschiedene – teilweise kostenlose und auch österreichische – Anbieter von Hosting-Servern. Als Softwareentwickler arbeitet Gregor seit Jahrzehnten remote, doch für seinen Klavierlehrer war das etwas Neues. Gregor hat seinen Linux-Laptop, ein externes USB-Mikrofon und offene Kopfhörer verwendet. Eine externe Webcam hat er auf einen Mikrofonständer geklemmt und seitlich von schräg oben ausgerichtet. Sein Klavierlehrer hat sich per App eingeloggt und das Handy auf einem Lötständer so fixiert, dass Gregor ihn und die Klaviatur sehen konnte. Gröbere technische Probleme hatten die beiden nicht.
Die anderen befragten AmateurmusikerInnen haben die verbreiteten Tools Skype, Zoom und Google Hangouts verwendet. Alle Plattformen haben gemeinsam, dass Bild und Ton zeitlich verzögert sind. Auch die Tonqualität ist nicht immer optimal. Das wirkt sich auf die Inhalte der Musikstunden aus. In seinem Querflöten-Unterricht hat Matthias daher „keine Intonations-Themen, sondern eher Interpretations-Themen“ besprochen. So habe seine Lehrerin zwar angemerkt, an welchen Stellen ein Vibrato oder eine bestimmte Phrasierung wichtig ist – aber nicht, ob er das tiefe D ein wenig zu tief gespielt hat. „Es hat nur so gut funktioniert, weil ich das Instrument schon etwas beherrsche und weil ich meine Lehrerin gut kenne und weiß, was sie meint. Natürlich ist es für uns nur eine Notlösung – Flöten mit Maske ist ja keine Option.“
Auch Singen ist mit Maske unmöglich. Der elfjährige Simon singt bei den Wiltener Sängerknaben in Tirol. Seine Chorproben und die Stimmbildung finden momentan online statt. Der Chorleiter verschickt vorher kurze Audiodateien, auf denen er Passagen vorspielt und singt, damit die Buben es zuhause einstudieren können. Vor dem Bildschirm singen ihm dann jeweils zwölf Kinder vor. Simons Mutter Maria meint: „Das kann die regulären Proben nicht ersetzen, aber der Chorleiter sieht, wie es den Kindern geht, und sie werden bei der Stange gehalten. Für die Kinder passt es. Es ist witzig, sie sehen einander wieder – und ihnen taugt auch das Technische.“ Die Eltern müssten natürlich beim Üben dahinter sein. Besser als die Chorproben funktioniere die Stimmbildung, da sich diese jeweils nur auf ein Kind konzentriert. Die musikalischen Aktivitäten unterbrechen die Monotonie daheim – ein wichtiger Aspekt für Maria: „Simon macht es Spaß. Er singt jeden Tag. Und Singen ist stimmungsaufhellend!“
Als „Motivationsschub“ beschreibt Hobbygeigerin Marlies ihre virtuelle Geigenstunde, da sie dort nützliche Hinweise fürs Üben bekommen hat. Zwei Wochen vorher hatte sie mit einem neuen Stück begonnen – und dringend Input gebraucht. „In der Stunde sind wir Phrase für Phrase durchgegangen und haben alle notwendigen Lagenwechsel besprochen. Meiner Lehrerin war es wichtig, dass ich das Prinzip verstehe, um sinnvoll allein weiter zu üben.“ Schwierig seien Haltungskorrekturen: „Online muss meine Lehrerin umständlich erklären, wie ich meinen Arm oder meine Hand halten soll. Sonst stellt sie sich zu mir und führt die Bewegung einfach durch Körperkontakt. Ich weiß dann gleich, was sie meint.“ Schade findet Marlies, dass das zweistimmige Geigenspiel wegen der Latenzzeit ausfallen muss.
Auch die Amateurpianisten Gregor und Christian schätzen ihre Online-Klavierstunden. Gregors Stunde lief ähnlich ab wie sonst: „Der Unterricht besteht hauptsächlich aus Kritik des Vorspiels der Stücke und dem Ausarbeiten von Übe-Strategien dazu.“ Als Nachteil sieht er, dass die nonverbale Kommunikation – die bei Musik sehr wichtig ist – über Video nicht hundertprozentig übertragen wird. Auch andere Blickwinkel, zum Beispiel aufs Pedal, oder verschiedene Entfernungen seien in der Kameraposition nicht möglich gewesen. Christian tat es gut, „endlich mal wieder Feedback zu bekommen“. Es sei „viel Allgemeines“ besprochen worden, also fand er es nicht tragisch, dass die audio-technische Übertragung nicht optimal war. Für Christian ist aber klar: „Den persönlichen Kontakt kann das auf Dauer nicht ersetzen.“
Gregor möchte auch zukünftig „für eine Zwischenkontrolle“ online weitermachen. Für ihn ist es ein Vorteil, dass er am eigenen Instrument sitzen kann und die Anfahrt wegfällt. Auch könne man die Stunde theoretisch aufzeichnen und sich wiederholt anschauen. In jedem Fall sei ein guter virtueller Musikunterricht besser als ein schlechter analoger. „Für Leute, die weitab von guten Lehrern wohnen, wäre das vermutlich eine Möglichkeit, erstklassigen Unterricht zu genießen.“