Es ist wieder Urlaubszeit, und da fragen sich motivierte Hobbymusiker und -musikerinnen, wie sie sich in der freien Zeit ihrem Instrument intensiv widmen können. Mittlerweile gibt es in Europa ein großes Angebot von Musikferien für verschiedene Bedürfnisse. Ich spiele leidenschaftlich Klavier und habe in den letzten Jahren an einigen Kursen und Workshops teilgenommen. Und das, obwohl ich weit davon entfernt bin, einen „Meisterkurs“ zu besuchen.
Im Juni 2019 habe ich eine Klavierwoche in Italien verbracht. Der Pianist Gil Jetley veranstaltet dort seit einigen Jahren Einzelcoachings für Amateure auf jedem Niveau (musicholidayitaly.com). Gil ist Gewinner des Chopin-Amateurwettbewerbs 2012 und gibt neben seiner Lehrtätigkeit regelmäßig Konzerte.
Mit einem „Personal Trainer“ pianistische Themen anzugehen, für die in meinem wöchentlichen Klavierunterricht oft keine Zeit bleibt – das hatte mich gelockt. In Gils Landhaus „Montemuse“ hatte ich jeden Tag nach dem Frühstück vier Stunden Unterricht. Da hört sich zunächst viel an – die Zeit verging jedoch rasch. Wir haben uns ausgiebig mit Musiktheorie befasst: allgemeine Basics und konkrete Analyse der Stücke, die ich derzeit erarbeite. Gil hat mich sogar in die Geheimnisse des Transponierens eingeweiht. In der übrigen Zeit haben wir technische Aspekte (subtilerer Pedaleinsatz, differenzierterer Anschlag) bearbeitet. Eine seiner Stärken ist es, mit dem Schüler kreative Übungen aus den Stücken selbst zu entwickeln. Die vielfältigen Unterlagen, die in der Woche entstanden sind, werden mich noch lange beschäftigen. Es war mir allerdings wichtig, mich nicht verwirren zu lassen: manche seiner technischen Zugänge sind recht anders als das, was ich im bisherigen Klavierunterricht gelernt habe. Auch darf man selbst nach einer so intensiven Woche keine Quantensprünge erwarten.
In der freien Zeit am Nachmittag konnte ich stundenlang an seinem Kawai-Flügel oder im eigenen Zimmer am Digitalpiano üben. Oft habe ich auch auf dem Balkon gesessen und den Ausblick auf das Sibillini-Gebirge genossen. „Montemuse“ ist idyllisch gelegen, aber etwas abgeschieden. Ich kann empfehlen, mit dem Mietwagen anzureisen, denn dann kann man nachmittags Ausflüge in die weitere Region unternehmen. Die Anreise mit dem Zug (wie ich es gemacht habe) ist jedoch problemlos möglich. Zum Abendessen wird man von Gil in regionale Restaurants rund um den Ort Montefalcone ausgeführt. Antipasti, Risotto, Pasta, Pizza… das Essen war fantastisch, aber immer üppig mit mehreren Gängen, spät am Abend. Diese Klavierwoche war keine Diätwoche…
Das Besondere an diesem Kursformat ist, dass man alle Inhalte individuell bestimmen kann. Gil ist routiniert darin, den Unterricht flexibel zu gestalten. Auch wer sich vor Gruppenkursen scheut, weil man dort vor anderen Teilnehmern etwas vorspielen muss, ist hier bestens aufgehoben. Damit ist der Kurs auch für Anfänger gut geeignet. (Im Englischen sollte man allerdings einigermaßen sattelfest sein). Wer sich lieber mit anderen Hobbypianisten austauscht, vierhändig spielen möchte oder ein abwechslungsreicheres Programm braucht, für den könnten andere Kurse passender sein. Einige davon werde ich demnächst in diesem Blog vorstellen.